Alle sterben, auch die Löffelstöre
Als Kind fragt Skarlet ihren Pastor, ob Gott beim Betreten der Wohnung Hausschuhe anziehen müsste. Wer für ihn koche und wer die Wäsche wusch? Diese Neugier bringt ihr einen Arztbesuch und ein per Attest verordnetes Religionsverbot ein. Sie bedauert es nicht. Die jungen Pioniere sind interessanter. Diese Auseinandersetzung mit der Autorität ist jedoch symptomatisch für Skarlets Leben in der DDR und später in Gesamtdeutschland. Der gerade Weg scheint immer eine Spur zu ausgetreten. Der Trampelweg, akzeptiert, aber mit ein paar absurd erscheinenden Kurven, führt auch ins Ziel. Seite an Seite mit Paul.

Die unbekannte sterbliche Spezies: Der Löffelstör
Alle sterben, auch die Löffelstöre. Dieser lapidare Kommentar ihres Chefs, des Zoodirektors lässt Skarlet erst begreifen, dass Paul weg ist. Die beiden kennen sich seit Fräulein Edeltraud aus dem Kindergarten beide wegen ihrer unsozialistischen Namen (Paul heißt eigentlich Jean-Paul) und ihres einen Willens drangsaliert hat. Das schweißt zusammen. Sie kämpfen sich durch Schule und Studium. Heiraten (jeweils einen anderen Partner) und bekommen ein Kind. Und nun ist Paul tot und Skarlet soll eine Grabrede halten. Sie beginnt das Leben beider zu rekapitulieren. Diese tausend kleinen Geschichten und Anekdoten, die eine Freundschaft ausmachen. Während sie mit Pauls Frau den Sarg bemalt, ihren Chef um Urlaub bittet und diverse gemeinsame Bekannte benachrichtigt.
Kathrin Aehnlich ist eines dieser besonderen Bücher gelungen, die es schaffen, die Hektik der Zeit auszuschließen. Sie berichtet von einer Katastrophe, den Verlust des geliebten Freundes. Ihr Humor und der leichte Schreibstil lassen die Kindheit in der DDR wieder auferstehen. Skarlets spießige Eltern, in einer unglücklichen Ehe gefangen. Pauls Sehnsucht nach dem Vater, der die Familie schon früh verließ. Das Fräulein im Kindergarten, dass bestimmte, das Kinder Zoobesuche toll finden und ihren Teller leer essen müssen. Paul und Skarlet erscheinen uns schon nach ein paar Seiten wie liebe Freunde, die wir nur einen Augenblick aus den Augen verloren haben. Wir durchleben die Tragik von Pauls Krankheit und Tod mit einer Träne im Auge und einem Lachen. Zu komisch sind die gemeinsamen alltäglichen Erlebnisse. Beiläufig, wie im Leben, eingestreut:
Die Affen, die in der Quarantänestation des Zoos leben, da den Besuchern eine Gruppe von männlichen Tieren, die permanent ihren Trieben nachgehen nicht zugemutet werden kann.
Pauls Frau Judith und Skarlet versuchen einen Elefant auf den Sarg zu malen, da er das einzige Tier ist, das Paul geschätzt hat. Immerhin hat ein Elefant sich stellvertretend für ihn an Tante Edeltraud gerächt. Es wird ein Engel. Beide sind keine Künstler.
Ein wundervolles Buch. Traurig und komisch zu gleich. Unbedingt lesen.